Wie entsteht eine wirksame Hybrid-Work-Kultur, Anne?

Die Arten der Zusammenarbeit haben sich innerhalb der letzten Jahre stark verändert. Vor allem hybride Arbeitsmodelle werden in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger – und können funktionieren! In unserer Coffee Break spricht unsere Kollegin Anne Mensing darüber, wie Unternehmen und Teams eine wirksame Hybrid-Work-Kultur etablieren können.

Anne, welche Bedeutung hat Hybrid Work heute?

Unser Arbeitsalltag ist geprägt von Diskussionen, wie viel Home Office “gut” oder “schlecht” ist, wann und wie die Menschen am produktivsten sind. Wie sich Remote Work, Hybrid Work oder Mobile Work auf die Gesundheit von Menschen auswirken. Und auch, wie Vertrauen und Beziehungen in diesem Kontext aufgebaut und verstärkt werden können.

Wir wissen heute: Hybrid Work ist keine improvisierte Übergangslösung der Corona-Krise. Hybrid Work wird bleiben. Und sie kann funktionieren!

Wir wissen heute aber auch: Es braucht einen klaren Rahmen und Klarheit für alle Beteiligten. Es ist an der Zeit, die Erfahrungen der letzten drei Jahre zu nutzen und wirksame hybride Betriebssysteme zu etablieren: Unternehmen brauchen keine zufällig entstandene Arbeitskultur, sondern eine bewusst etablierte Kultur der wirksamen Zusammenarbeit, die für alle neue Möglichkeiten schafft.

Aktuell sprechen viele Leute vom “Coffee Badging” – ein Trend, bei dem Mitarbeitende für ein paar Stunden ins Büro gehen, nur um die vom Chef oder der Chefin geforderte Präsenz zu zeigen. Warum setzen Unternehmen wieder vermehrt auf einen “Bürozwang”?

Dies kann unterschiedlichste Gründe haben.

Zunächst sei aber erstmal gesagt, dass wir alle die Vorteile von hybrider Arbeit in der Corona Zeit schätzen gelernt, aber auch die Nachteile kennengelernt haben. So haben viele von uns haben erfahren, wie wichtig der persönliche Austausch für die Zusammenarbeit ist. Trotzdem sollte niemand ins Büro gezwungen werden, sondern gerne dorthin gehen und einen Mehrwert bzw. Sinn und Zweck erkennen. Ganz im Sinne von: “Give me a reason to go the office”. Damit ist jetzt aber nicht die “Eventisierung” von Arbeit gemeint, also dass immer besondere Events im Büro geschaffen werden müssen, damit die Mitarbeitenden ins Büro kommen.

Im Gegenteil! Ein Schlüssel für eine belebtere Office-Kultur könnte sein, dass man das Thema gemeinsam bearbeitet und kritisch betrachtet: Brauchen wir einen oder mehrere Office Tage? Wenn ja, welcher Tag eignet sich am besten? Findet er wöchentlich oder zweiwöchentlich oder nur einmal im Monat statt? Haben wir an dem Office Tag eine besondere Agenda oder besondere Regeln, wie z.B. möglichst wenig Online-Meetings, gemeinsame Mittagspause, Teammeeting usw.? Definiert man dieses gemeinsam mit dem Team und gibt es nicht einfach nur vor, ist das Commitment direkt viel höher und die Menschen empfinden es weniger als Zwang.

Ein weiterer Grund könnte aber auch sein, dass Führungskräfte nicht ausreichend befähigt wurden, um hybride Teams zu führen. Es könnte also eine Art Hilferuf einer Führungskraft sein, wenn er oder sie das Team zurück ins Büro holt: Weil er oder sie nicht weiß, wie man das Team sonst führen soll.

Und nicht zuletzt muss ein Umdenken in unseren Köpfen stattfinden und teilweise hat es das auch schon: Die Qualität der Ergebnisse ist nicht zwangsläufig an Präsenz gekoppelt. Daher sollte die Leistung weniger nach Präsenz, sondern nach Ergebnissen bewertet werden.

Wie baut man eine wirksame Hybrid-Work-Kultur auf?

Der Aufbau einer Hybrid-Work-Kultur geht nicht von heute auf morgen und auch nicht ohne aktive Begleitung und Unterstützung der Führungskräfte und Mitarbeitenden. Die Komplexität von Hybrid Work darf nicht unterschätzt werden. Die Rahmenbedingungen sind heute anders. Es ändert sich nicht nur der Ort, sondern die gesamte Zusammenarbeit. Die Strukturen der Präsenzkultur können nicht einfach auf die Hybrid Kultur übertragen werden. Es gilt, einen Rahmen für die Hybrid-Work-Kultur zu definieren.

Wie könnte dieser Rahmen aussehen?

Damit Hybrid Work funktioniert, ist ein Rahmengerüst notwendig. Denn nur so gibt es für alle im Unternehmen Klarheit und Sicherheit für die Zusammenarbeit.

Die Erarbeitung dieses Rahmen erfolgt i.d.R. auf Geschäftsführungs- und Führungskräfte-Ebene und thematisiert u.a. folgende Fragestellungen:

  • Wie viele Tage im Office sind erwünscht?
  • Was für Anreize gibt es, um ins Office zu kommen?
  • Von welchen Orten aus dürfen die Mitarbeitenden arbeiten?
  • Wie sieht die Standard-Arbeitsplatzausstattung im Büro und im Home Office aus?
  • Welches Kollaborationstool wird wie eingesetzt, um den digitalen Arbeitsplatz darstellen zu können?
  • Welche Prozesse müssen digitalisiert werden, um Hybrid Work zu ermöglichen?
  • Welche Arbeitszeitmodelle(e) haben wir?

Und wie geht es dann weiter?

Erfolgsentscheidend ist, was die Teams mit diesem Rahmen machen, innerhalb dessen sie maximale Freiheit haben. Teams sollten auf Basis des Rahmens teamspezifische Regeln der hybriden Zusammenarbeit gemeinsam mit ihrer Führungskraft definieren.

Sie sollten u.a. beleuchten:

  • Office Tage: Welche Rolle spielt das Büro für uns? Haben wir im Team einen gemeinsamen Office-Tag? Wenn ja, wie gestalten wir diesen?
  • Meetings & Routinen: Welche regelmäßigen Meetings haben wir? Und brauchen wir zusätzliche? Wie sieht die Meetingetikette aus?
  • Rituale: Welche Rituale wollen wir in unserer hybriden Zusammenarbeit etablieren? Wie schaffen wir informellen Austausch?
  • Kommunikation: Wie stellen wir sicher, dass es keine Zweiklassengesellschaft durch Kommunikationsdefizite gibt (z.B. Mitarbeitende im Büro wissen mehr als Mitarbeitende im Home Office)?
  • Tools: Welche Tools setzen wir wann und wofür ein? Wie zentral wird ein Kollaborationstool für die Zusammenarbeit sein? Was bilden wir darüber ab? Und was nicht?
  • Response & Erreichbarkeit: Wie schnell reagieren wir auf Antworten? Wann sind wir erreichbar und wie signalisieren wir dies unseren Teammitgliedern?

Das ist ganz schön viel. Wie sollten Teams das angehen?

Die Teams sollten die Regeln gemeinsam erarbeiten und diskutieren. Oftmals hilft es, wenn ein (externer) Moderator durch die Sessions führt und auch endlose Diskussionen somit ein Ende finden. Stehen die Regeln, ist zudem erfolgsentscheidend, diese regelmäßig in “Retrospektiven” zu reflektieren, zu hinterfragen und anzupassen.

Ist es damit getan?

Nein! Das eine ist, dass die Teams ihre hybride Zusammenarbeit definieren. Die andere Komponente hingegen ist, dass Führungskräfte befähigt werden müssen, hybride Teams führen zu können. Das Führen auf Distanz ist anders als das Führen in einer Präsenzkultur: Ergebnisorientiertes Arbeiten, neue Kommunikationswege und Menschlichkeit rücken in den Vordergrund.

Das heißt?

  • Ergebnisorientiertes Arbeiten: Die vermeintliche „Kontrolle“ der Mitarbeitenden im Büro findet nun auf einer anderen Ebene statt – nämlich auf der Ebene der Ergebnisse. Doch damit dies möglich ist, müssen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden Ziele und Aufgaben definieren und auch die Arbeitsprozesse ggf. anpassen.
  • Neue Kommunikationswege & Kollaborationstools: Unabhängig davon, wo die Mitarbeitenden sich befinden (Büro vs. woanders) muss die Kommunikation und Transparenz der Arbeitsschritte gleich sein. Es darf sich keine Zweiklassengesellschaft durch Kommunikationsdefizite etablieren. Daher gilt es, Kommunikation neu zu definieren – sowohl mit Blick auf Austauschroutinen als auch mit Blick auf den Einsatz von Tools. Und dazu zählt auch, die Menschen für den Einsatz von Kollaborationstool, wie z.B. MS Teams, zu befähigen. Denn solche Kollaborationstools sind der Dreh- und Angelpunkt von Hybrid Work – sie sind quasi das „digitale Büro“.
  • Menschlichkeit: Schon immer, aber noch nie stärker als heute, ist die Menschlichkeit der Führungskraft gefragt, gerade weil sich nicht alle jeden Tag persönlich sehen. Es braucht Momente des Innehaltens, Reflexion der Situationen, Vertrauen und starke Beziehungen. Gefühle – und davon gibt es auch im hybriden Kontext ausreichend – müssen bewusst wahrgenommen, zugelassen und genutzt werden.

Und als wäre das nicht schon genug, lässt sich beim Thema Führung eine weitere Ebene ergänzen: Führungskräfte haben den Auftrag, in unsicheren oder auch ungewohnten Situationen oder Krisen Sicherheit zu geben. Und zugleich stehen sie selbst nicht außerhalb dieser Unsicherheit, sondern befinden sich mittendrin. Sie sind ebenso von äußeren Faktoren beeinflusst und verunsichert, wie jeder andere Mensch auch. Gleichzeitig richtet sich der Blick auf sie und ihr Handeln.

Für diese zusätzliche Komplexität gilt es, die Führungskräfte mit einem entsprechenden Werkzeugkoffer auszustatten, zu befähigen und den Austausch unter ihnen aktiv zu initiieren, um sich über Herausforderungen auszutauschen und gegenseitig unterstützen zu können.

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