Wie gelingt die partizipative Entwicklung von Arbeitsumgebungen, Anne?

St. Oberholz Consulting konzipiert und entwickelt Arbeitsumgebungen, die wirksame Zusammenarbeit ermöglichen – und das ganze auch noch partizipativ. Wie das geht, erklärt unsere Kollegin Anne in unserer heutigen Coffee Break.

Anne, welche Anfragen bekommen wir von Kund:innen, wenn es um die Entwicklung von Arbeitsumgebungen geht?

Die Anfragen und Einstiegspunkte bei unseren Kunden sind immer sehr unterschiedlich. Manchmal kommen die Kunden durch die „Behaviour“-Tür. Das heißt, sie merken, dass sich ihre Zusammenarbeit in den letzten Jahren verändert hat und die physischen Arbeitsräume nicht mehr zu ihren Bedürfnissen in der Zusammenarbeit passen.

Kommen die Anfragen eher direkt aus der „Bricks“-Ecke, dann weil z.B.:

  • das Unternehmen einen neuen Standort sucht (alter Standort zu klein; Mietvertrag läuft aus)
  • der aktuelle Standort beibehalten werden soll, aber zu wenig Platz für alle Mitarbeitenden liefert
  • die Beobachtung gemacht wurde, dass viel Fläche leer steht, weil Mitarbeitende nun mobil arbeiten

Was geschieht als erstes in einem solchen Projekt?

Neben einer Auftragsklärung entwickeln wir oft als erstes mit unseren Kund:innen eine Art Change-Story oder zumindest Elemente aus dieser: Wieso muss ausgerechnet jetzt die Arbeitsumgebung verändert werden? Wo soll die Reise hingehen? Wie soll die zukünftige Arbeitsumgebung aussehen? Bis wann soll das Projekt umgesetzt werden? Welche Rolle spielen dabei die Mitarbeitenden und warum?

Klingt logisch. Und danach könnt ihr direkt mit der Suche eines Standorts und der Gestaltung der Räumlichkeiten beginnen? Schließlich kennt ihr ja das grobe Ziel und die Geschäftsführung oder der Vorstand hat sicherlich auch eine genaue Vorstellung.

So einfach und schnell geht es dann doch nicht. Es ist richtig, dass das Management oft eine Vorstellung von der zukünftigen Arbeitsumgebung hat. Doch, wenn man eine wirklich wirksame Arbeitsumgebung schaffen will, muss man vor allem die Mitarbeitenden in einen solchen Prozess einbeziehen und ihre Bedürfnisse abfragen.

Und wie macht man das? Man kann ja nicht mit allen Mitarbeitenden sprechen, oder?

Es kommt auf die Größe des Unternehmens an. Bei Unternehmen mit bis zu 60 Mitarbeitenden machen wir mit jedem Team einen Workshop. Bei größeren Unternehmen würde das den Rahmen sprengen und auch zu lange dauern. Hier arbeiten wir gerne mit sog. Raumbotschafter:innen. Dies sind Vertreter:innen aus den jeweiligen Abteilungen und Teams, die die Arbeitsabläufe und daraus resultierende Bedarfe an Raum und Technik in ihren Teams ziemlich genau kennen. Genau wie beim Ansatz mit allen Mitarbeitenden, führen wir auch mit den Raumbotschafter:innen Workshops durch.

Was passiert in diesen Workshops?

Im Fokus der Workshops steht, dass wir als Externe verstehen möchten, wie die einzelnen Teams arbeiten (Was sind typische Tätigkeiten in deinem Team über den Arbeitstag verteilt?) und welche Orte für die Tätigkeiten benötigt werden.

Und genau diese Orte im Büro werden durch die Workshop-Teilnehmenden konkret beschrieben. Die Beschreibung der Räumlichkeiten nennen wir „Raumformate“. Am Ende der Workshop-Reihe gilt es, alle Raumformate zusammenzufassen und zu harmonisieren. Typische Raumformate sind zum Beispiel: Begegnungsküche, Fokusbüro, 4er-Schreibtischinseln, Team-Home-Bases, Projekträume oder Meetingräume.

Und dann kann man mit der Grundrissplanung starten?

Nein. Wir wissen nun zwar, wie die Mitarbeitenden arbeiten (also in welchen Arbeitsmodi) und welche grundsätzlichen Bedürfnisse die Mitarbeitenden an den Raum haben, aber wir wissen noch nicht, wie viel von jedem Raumformat jedes Team benötigt.

Und wie bekommt ihr die Info?

Da die Mitarbeitenden oder zumindest die Raumbotschafter:innen sich nun schon intensiv mit den Raumformaten auseinandergesetzt haben, kann die Bedarfserhebung z.B. über eine Umfrage stattfinden. Bei Teams, die sich in den Raumformaten noch nicht so zurechtfinden oder viele Besonderheiten haben, lohnt sich ein Gespräch zwischen Planer:innen bzw. Architekt:innen und den Teams. Oft reichen 60 Minuten aus, um zu identifizieren, was für Bedarfe das Team hat.

Interessanter wird es dann im nächsten Schritt, wo das Architekt:innenteam versucht, die Bedarfe der Teams im Grundriss unterzubringen. Spätestens an diesem Punkt muss das Architekt:innenteam mit dem jeweiligen Team sprechen und für ausgewählte Raumformate wissen, warum davon so viele benötigt werden, z.B.: Warum hat das Team 6 Einzelbüros angegeben? Braucht das Team wirklich 5 Tage die Woche 6 Einzelbüros oder wünscht sich hier gerade jede:r seinen oder ihren eigenen Arbeitsplatz? Gemeinsam nähern wir uns so mit dem Team an einen finalen groben Grundriss.

Wichtig in diesem Schritt ist, dass die Führungskraft ebenfalls in die Planung eingebunden wird. Nur so können frühzeitig die Bedarfe der Führungskräfte und mögliche Widerstände oder Herausforderungen erkannt und einbezogen werden.

Die Bedarfe sind ermittelt und passen grob in den Grundriss. Was passiert als nächstes?

Neben der Verortung der Teams und Raumformate im Grundriss gilt es, zusätzlich noch grob zu planen, wo Gemeinschaftsflächen (wie z.B. Begegnungsküche oder Projekträume) hinkommen und was für Produkte und Materialien benötigt werden. Dieser Vorschlag wird mit den Mitarbeitenden, Führungskräften und Entscheidungsgremien geteilt und nach einer Feedbackschleife und kleinen Änderungen geht es dann in die Feinplanung. Hier wird jeder Millimeter genau geplant, die Produkte und Materialien bestellt und die Gewerke (wie z.B. Maler und Elektriker) beauftragt. Und dann geht es “schon” los mit dem Umbau und Umzug.

Ist es wirklich so einfach?

Das war jetzt ein wirklicher Schnelldurchlauf. Wir haben heute den Fokus vor allem auf den Teil gelegt, wo die Mitarbeitenden stark einbezogen werden. Das heißt nicht, dass später alle Entscheidungen von oben herab oder von Architekt:innen getroffen werden. Ganz im Gegenteil: Es finden regelmäßig Feedback- und Updateschleifen statt. Aber besonders in den ersten Phase sind die Mitarbeitenden am wertvollsten und wirksamsten. Je nach Größe kann der Prozess vom Kick-off bis zum Start der Feinplanung 3-12 Monate dauern.

Was ist denn deine Aufgabe oder Rolle in solchen Projekten? Du bist doch keine Architektin, oder?

Ich bin keine Architektin, richtig. Ich bin als Change Facilitator unterwegs und begleite die Mitarbeitenden auf ihrer Raumreise. Das heißt z.B., dass ich die oben angesprochene Kick-off-Session vorbereite und moderiere, bei der Auswahl der Raumbotschafter:innen unterstütze und auch die Workshops, in denen Tätigkeitstypen und Raumformate identifiziert und entwickelt werden, moderiere.

In der Anfangsphase geht es nämlich nicht um Architekturwissen, sondern um das langsame Herantasten an das Thema Raum und das Herausfinden, was die Mitarbeitenden brauchen, um wirksam arbeiten zu können. Unser Architekt:innen sind in alle Schritte aber voll integriert. Wenn sie nicht sogar an den Workshops teilnehmen, dann beschäftigen sie sich intensiv mit den Ergebnissen, die bei den Arbeitssessions und Workshops erarbeitet wurden.

Und auch, wenn es “nur” nach der Umgestaltung von Räumen geht, dann steht dahinter noch viel mehr, nämlich das Thema „Behaviour“. Die Räume können noch so toll sein – wenn die Mitarbeitenden bei diesem Prozess nicht begleitet werden, ihre Zusammenarbeit nicht reflektieren und sich nicht überlegen, wie sie die neuen Räumlichkeiten nutzen möchten, dann ist der Umbau wenig wirksam. Und genau an dieser Stelle begleite ich die Teams intensiv.

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