Wie kann die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in Organisationen gestärkt werden, Karla?

Das Ziel unserer Arbeit ist die wirksame Zusammenarbeit. In einzelnen Teams die Zusammenarbeit zu reflektieren und zu verbessern, ist dabei eine Sache. Die übergreifende Zusammenarbeit in einer Organisation mit über 300 Teams wirksamer zu gestalten, eine ganz andere. Wie das trotz der gestiegenen Komplexität funktionieren kann, erklärt unsere Kollegin Karla in unserer heutigen Coffee Break.

Karla, warum ist das Thema der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit so relevant?

Vielen Unternehmen fällt die übergreifende Zusammenarbeit schwer. Auf der einen Seite wollen sie kundenorientiert arbeiten, auf der anderen Seite macht jede Abteilung ihr eigenes Ding. Im schlimmsten Fall haben sich dadurch im Laufe der Jahre abgeschottete Abteilungssilos gebildet, die sich gegenseitig als Konkurrenz betrachten und sich womöglich sogar Informationen vorenthalten. Fehler werden dann immer bei den anderen gesucht!

Außerdem befinden sich die meisten Organisationen noch in Strukturen, die von linearen Prozessabläufen und Arbeitsteilung gekennzeichnet sind. Was gestern noch nachvollziehbar war, taugt in der Gegenwart nichts mehr. Diese Art und Weise, Arbeit zu organisieren, funktioniert heute nicht mehr. Durch die digitalisierte Globalisierung nehmen Vernetzung, Komplexität und Geschwindigkeit ständig zu. Und um Veränderungen schnell wahrzunehmen und sich weiterzuentwickeln, gehört auch, dass Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen stärker zusammenarbeiten.

Was ist eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit?

Oft braucht es breiteres Wissen, um größere Aufgaben zu lösen. Wenn Mitarbeitende aus verschiedenen Funktionen, Abteilungen oder Teams in einer Organisation Aufgaben funktionsübergreifend abwickeln, dann spricht man von abteilungsübergreifender Zusammenarbeit.

Beispiel: Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist, wenn Marketing und Kundensupport gemeinsam die Social-Media-Seiten des Unternehmens verwalten. Oder wenn das Produkt- mit dem Vertriebsteam bei der Einführung einer neuen Funktion für Kund:innen zusammenarbeitet.

Welche Vorteile hat die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit?

Wenn die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit gut funktioniert, dann bedeutet das für die Organisation, dass Synergien bei Wissen und Ressourcen gut genutzt werden. Das spart Zeit und Geld, Probleme werden effizient gemeinsam gelöst und es werden verschiedene Blickwinkel und Erfahrungen berücksichtigt. Das schafft eine Kultur der Zusammenarbeit und erzeugt Innovationskraft.

Kann zu viel Kollaboration Nachteile mit sich bringen?

Studien sagen, dass bei Kollaboration vor allem das richtige Maß der Schlüssel zum Erfolg ist. Vor allem durch die Pandemie ist „zu viel“ Kollaboration zum Problem geworden. Manch ein Mitarbeitender ertrinkt in der Flut an Mails und Meetings, die allein der Zusammenarbeit und der Wissensvermittlung dienen. Dies wiederum bremst die Produktivität und Motivation der Mitarbeitenden aus. Neben der übermäßigen Flut in Bezug auf den täglichen Austausch haben Studien noch ein weiteres grundlegendes Problem aufgedeckt: Es wird zwar kommuniziert und zusammengearbeitet, doch der informelle Austausch in der Belegschaft fehlt.

Woran scheitert die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit?

Laut Harvard Business Review sind über 75 Prozent der funktionsübergreifenden Teams dysfunktional. Die meisten funktionsübergreifenden Teams stolpern aufgrund einer fehlenden systemischen Kultur der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation. Kultur als Grund des Übels anzuführen, bringt mich persönlich aber eher in eine Problemtrance und ist mir zu unbestimmt, als dass es mir hilft, Lösungen zu finden.

Daher konkretisiere ich. Gründe für ein Scheitern abteilungsübergreifender Zusammenarbeit können sein:

  • kein konkret formulierter Auftrag von der Unternehmensführung
  • unpräzise Definition des Beitrages zur Gesamtstrategie und den Ziele der Organisation
  • Überforderung durch die Menge an Informationen und Projekten in der Organisation
  • fehlende Klarheit zu Rollen, Verantwortlichkeiten, Entscheidungsbefugnissen, Budget und Ressourcen (wenn übergreifend zusammengearbeitet wird)
  • mangelnde Selbstverantwortung und Eigeninitiative
  • mangelndes Wissen zu den Erfolgsfaktoren wirksamer interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Der erste Schritt, um diese Probleme aufzulösen, ist meiner Meinung nach zunächst die Identifikation, ob es am KÖNNEN, WOLLEN oder SOLLEN/DÜRFEN liegt, dass die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit nicht funktioniert.

Können: Haben Führungskräfte und Mitarbeitenden die nötigen Werkzeuge, um interdisziplinäre Projekte aufzusetzen? Zum Beispiel: Projektmanagement-Fähigkeiten oder Kenntnisse zum Aufbau neuer Teams? Bestehen die notwendigen Tools (Austauschkanäle), um einen Austausch zu gewährleisten und wurden die Mitarbeitenden über die Nutzung aufgeklärt? Wenn ich nicht weiß, was es alles gibt und keine Transparenz besteht, wo genau übergreifende Projekte sinnvoll sind, kann ich diese auch nicht initiieren.

Wollen: Gibt es bereits Mitarbeitende, die Veränderungen anstoßen? Besteht überhaupt ein Bedarf, sich übergreifend auszutauschen? Stehen z.B. individuelle Incentivierungen entgegen, die die Förderung übergreifender Zusammenarbeit einschränken könnten? Werden Initiativen ernst genommen und weiterverfolgt oder im Keim erstickt – und damit auch die Motivation erloschen?

Sollen / Dürfen:Erhalten die Mitarbeitenden den nötigen Freiraum, um sich auszutauschen und zu vernetzen? Wird dieser Austausch von oben gelebt und agieren die Führungskräfte als Vorbilder? Ist Netzwerken oder die Beteiligung an abteilungsübergreifenden Projekten vielleicht sogar in Betriebsvereinbarungen oder Zielvereinbarungen verankert, indem z.B. 10% der Arbeitszeit dafür investiert werden darf?

Da bist du bereits in Lösungsvorschläge gesprungen, die, wie ich raushöre, mit einer Bedarfsanalyse starten. Wie gelingt es darüber hinaus, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern? Hast du konkrete Maßnahmen, die Unternehmen ausprobieren können?

Hier habe ich zwei Ansätze. Maßnahmen, die über die ganze Organisation hinweg umgesetzt werden können und Tipps, um übergreifend-zusammenarbeitende Projektteams zu stärken.

Konkrete Maßnahmen in Organisationen können Folgende sein:

  • Jede/r liebt es, persönlich gelobt zu werden. Wenn wir die Leistungen anderer sogar öffentlich anerkennen, scheint es den Leistungseffekt sogar zu verstärken. Studien zeigen, dass bei transparent geteiltem Lob sogar jene Personen die Leistung am meisten steigern, die nicht gelobt wurden, um sich an das “erwartete Level” anzupassen. Nutze diese guten Effekte von Lob für teamübergreifende Zusammenarbeit.
  • Erzeuge gemeinsame Probleme im Unternehmen bzw. für die Mitarbeitende. Das fördert die abteilungsübergreifende Kooperation ungemein. Denn aus gemeinsamen Problemen ergeben sich gemeinsame Ziele als Grundlage für mehr Kooperation und Gemeinschaft.
  • Organisiere zur Bearbeitung dieser Probleme Hackathons, Kollegiale Fallberatung, Innovationsworkshops oder Brainstorming-Sitzungen. Sie lassen die Arbeit anderer Teams besser verstehen, brechen Informationssilos auf und stärken den Teamgeist.
  • Lass Mitarbeitende durch Job Rotation oder Job Sharing zeitweise in anderen Abteilungen arbeiten. So können Mitarbeitende ihre Perspektive erweitern, neue Fähigkeiten entwickeln und der Wissensaustausch im Unternehmen wird schneller. Eine abgespeckte Variante sind “Brown Bag Sessions” bzw. sogenannte “Lunch & Learns”, bei dem Mitarbeitende kurz in der Mittagspause während des Essens (Brown Bag = Brottüte mitbringen) z.B. von ihren Projekten berichten. Oder Kaffee Roulette, bei dem Mitarbeitende zufällig zugewiesen werden und dann mit einem unbekannten Mitarbeitenden Kaffee trinken oder sich zum Mittag verabreden können.
  • Gib Neid in Deinem Unternehmen keinen Raum und befeuere die interne Wettbewerbsenergie nicht  mit ausgeprägten individuellen Leistungsanreizen. Argumentiere vielmehr, dass für den optimalen Erfolg alle an einem Strang ziehen müssen und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ein wesentlicher Bestandteil für den gemeinsamen Unternehmenserfolg ist.
  • Gib den Mitarbeitenden Räume, den internen Bereich der Abteilung bzw. des Teams zu verlassen, um mit den Mitarbeitern anderer Abteilungen oder Teams zu kommunizieren. Hierdurch wird die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit direkt gefördert und oftmals werden auch neue Ideen, Impulse und Optimierungen entwickelt, da viele unterschiedliche Kompetenzen zusammenkommen. Letztlich wird hierdurch auch das Vertrauen zu Mitarbeitern anderer Bereiche aufgebaut. Um die abteilungsübergreifende Kommunikation zu fördern, ist es wichtig, informelle Begegnungsräume zu schaffen. Das kann die Kantine sein, der Kaffeeautomat oder der Wasserkühler auf dem Gang. Solche kleinen Dinge haben viel Kraft. Das denken wir bei St. Oberholz bei Raumplanung immer mit.

Um Teams zu stärken, die erstmals abteilungsübergreifend zusammenarbeiten, können folgende Tipps helfen:

  • Weise den Mitarbeitenden mit dem DACI-Modell klare Rollen zu. Mit DACI legst du fest, welche Personen das Projekt leiten (Driver), freigeben (Approver), dazu Input geben (Contributor) und wer informiert wird (Informed).
  • Setze klare Ziele. Finde heraus, ob der SMART-, FAST- oder OKR-Ansatz der richtige Ansatz für die Zieldefinition ist.
  • Überprüfe, ob die Ziele mit den Schwerpunkten der Organisation übereinstimmen. Nein? Dann passe die Ausrichtung an.
  • Sei als Projektteam ein gutes Vorbild. Im Optimalfall wird das Team eine Strahlkraft für interdisziplinäre Zusammenarbeit sein. Dieser Rolle muss es sich bewusst sein.
  • Halte alle Mitarbeitenden motiviert. Vermeide ineffiziente Routinen und passen Anzahl und Häufigkeit der Meetings und Kanäle bei Bedarf an.

Ein letzter Hinweis: Der Aufbau einer Unternehmenskultur, in der übergreifende Zusammenarbeit normal ist, ist nicht so einfach, wie es scheint. Es handelt sich um ein fortlaufendes und nie endendes Projekt, das sich langfristig positiv auswirken wird.

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